Der Ort

Der Ort

Ein Raum, der in seiner Leere darauf wartet, dass Menschen ihn mit ihrem Leben füllen.

Der „Dialograum Kreuzung an St. Helena“ ist eine nicht profanierte Kirche. Als die Pfarrgemeinde diesen Raum nicht mehr für ihre Gottesdienste benötigte, konstituierte sich im Jahr 2004 der Verein „Kreuzung an St. Helena – Ein Dialograum für christlichen Kult und zeitgenössische Kultur e. V.“ Er verantwortet und finanziert seither das dort realisierte Programm. Die Pfarrei St. Petrus trägt die Unterhaltskosten des Gebäudekomplexes.

In der verkehrsreichen Bornheimer Straße fällt das Kirchengebäude von St. Helena erst auf den zweiten Blick auf: Eingepasst in die Häuserfassade der Nachbarhäuser springt eine fensterlose Schieferfront leicht hervor, die lediglich durch die kleine Glocke als Kirche zu erkennen ist. Der Kirchenraum – ein nahezu quadratischer Kubus mit 19,6 Metern Länge, 18,8 Metern Breite und 17 Metern Höhe, der nur durch ein hofseitiges oben laufendes Fensterband erhellt wird – befindet sich im Obergeschoss. Man erreicht ihn, indem man unter ihm zwischen Betonpfeilern hin-durch zu einem rückseitig angebauten Treppenhaus gelangt und hier auf halber Höhe wenden muss. Dem Besucher öffnet sich im 1. Stock ein schlichter Raum aus rotbraunen Lochziegelwänden. Unter der flachen Decke hängt eine Stahlrohrkonstruktion. Auf der Straßenseite befindet sich eine einfache Empore. Mittelpunkt des Raumes ist der Altar auf einem einstufigen Holzpodest, ein großer Quader aus hellem Carrara-Marmor, der auf einer Marmorsäule ruht. Diese Säule führt durch den Fußboden hindurch nach unten in die ebenerdige kleine Kapelle und nimmt dort den Tabernakel auf, bevor sie in der Erde gründet. Aus dem gleichen Marmor sind die Apostelleuchter und Weihwasserbecken gefertigt. Obwohl die Kirche bereits 1960 geweiht wurde, hat sie durch die Anordnung der Bänke in U-Form um den Altar bereits die Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils vorweggenommen.

Die Architekten Emil Steffann (1899–1968) und Nikolaus Rosiny (1926–2011) versuchten mit diesem Kirchenbau die Leitidee der Völkerwallfahrt zum Jerusalemer Tempelberg baulich umzusetzen (vgl. Jes 2,1–4; Ps 122): Gott wohnt auf dem Zions-berg unter den Menschen. Bewusst überschreitet der Kirchenbau das Binom „sakral – profan“: Die Kirche steht nicht frei, sondern passt sich in die Front der weltlichen Nachbarhäuser ein, der Kirchenraum grenzt Wand an Wand an Küchen, Bäder, Wohnzimmer… Die Kirche verzichtet auf einen Kirchturm und ist nicht höher als die Nachbargebäude. Es werden einfache, alltägliche Materialien verwendet, wie sie im damaligen Bonner „Baustoff- und Handwerkerviertel“ vertrieben wurden: Beton, Backstein, Stahl, Glas, Schiefer, Holz. Lediglich der Altar sticht mit seinem hellen Carrara-Marmor hervor. Das Stahlrohrgestänge an der Decke könnte als „offener Himmel“ gedeutet werden. In der ebenerdigen Werktagskapelle setzt sich als Fuß-boden das Straßenpflaster fort. Die Tür ist mit Absicht nicht schalldicht, damit die Verkehrs- und Alltagsgeräusche, die Profanität des Lebens auch während der Liturgie hörbar. Das gesamte Gebäude hebt die strenge Grenze zwischen „der Welt draußen“ und dem „heiligen Innenraum“ auf.